Wenn man Glück nicht mehr ertragen kann
Wenn man Glück nicht mehr ertragen kann
„Nicht therapierbar!“, lautete die Diagnose der Therapeutin von Dana*, einer jungen Studentin aus Köln. Nicht weniger als fünf Fachärzte bestätigten ihr bereits, dass sie am Borderline-Syndrom erkrankt ist. Genauer: Sie leidet an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung. Therapie oder Klinikaufenthalt – Beides hat Dana* hinter sich. Aber helfen konnte ihr bisher niemand. Ihre einzige Chance sei nur noch eine Selbsthilfegruppe, sagten ihre Therapeuten. Aber das will die 24-Jährige auf gar keinen Fall.
Dana* gehört zu den Menschen, die an einer Persönlichkeitsstörung, dem Borderline-Syndrom leiden. Sie lebt in einem Gedanken- und Gefühlschaos. Angst, Realitätsverlust, Schwarz-Weiß-Denken, Alkohol-, Drogenkonsum und sogar Selbstmordgedanken sind ihre ständigen Begleiter – das alles sind typische Symptome der vorwiegend bei Frauen diagnostizierten Krankheit.
26.000 Borderline-Patienten waren 2007 in stationärer Behandlung
Borderline: Gratwanderung zwischen den Emotionen, Foto: Bilal El-Sahili
Anscheinend trifft es häufiger Frauen als Männer: In der Krankenhaus-Diagnose-Statistik des Statistischen Bundesamtes waren 2007 rund 21.000 Frauen wegen Borderline in stationärer Behandlung. Dem gegenüber stehen “nur” 5.000 männliche Patienten auf. Dr. Thomas Jacoby, Leiter der Borderline-Station der Hans-Prinzhorn-Klinik in Hemer, hat seine ganz eigene Erklärung, warum weniger Männer mit der Diagnose Borderline erfasst sind: “Mehr als die Hälfte der Betroffenen sitzen im Gefängnis: Männer mit Borderline-Syndrom richten ihre Impulsivität nach Außen. Sie begehen Straftaten, werden sogar gewaltätig.” Es kämen mehr Frauen in Behandlung als Männer, weil sich bei ihnen die Aggession eher gegen sich selbst richte. „In Deutschland leiden rund ein Viertel aller in psychiatrischen Kliniken behandelten Patienten an einer emotional instabilen Persönlichkeit, sprich Borderline“, bestätigt Dr. Jacoby, wobei die Ursachen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) häufig eine Mischung aus angeborenem Temperament, schwierigen Erfahrungen in der Kindheit und subtilen Formen neurologischer und biochemischer Dysfunktionen sind.
Professor Bernd Göhing, psychologischer Berater am Campus Essen, relativiert jedoch die Zahl der Borderliner, spricht sogar von einem Modewort: „Ist es was Schlimmeres, dann wird das immer gleich ‘Borderline’ genannt.“ Persönlichkeitsstörungen manifestierten sich seiner Auffassung nach erst ab 30. Vorher würden bestimmte Symptomatiken häufig von allein heilen. „Ist jedoch die Prognose einmal gestellt, dann ist man stigmatisiert.“ Das sei nicht zuletzt tragisch für die Betroffenen selbst. Sie würden dann nicht so leicht los, was sie plagte.
Im Gedanken- und Gefühlschaos
Licht am Ende des Tunnels,“Das Borderline-Syndrom wurzelt bei mir in einem Trauma”, erzählt Dana*. Ihre Eltern, die Dana* sehr streng erzogen haben, ließen sich scheiden, als sie vier Jahre alt war. Der Vater erhielt das alleinige Sorgerecht. ”Mit neun Jahren wurde ich von ihm zur Adoption freigegeben, weil seine neue Freundin es so wollte.“ Sie lebte fortan bei ihrer Mutter, wo Gewalt zum Alltag wurde. Bis heute hat Dana* Bindungsängste. “Was ich jetzt hab? Na auf jeden Fall eine Beziehungsstörung zu Männern,” erklärt die 24-Jährige.“Ich verschwende mein Geld, konsumiere Unmengen an Alkohol und vergraule alle Männer. Wenn mir jemand weh tut, dann tu ich ihm noch mehr weh.“
Als Dana* mit 19 Jahren schwanger wurde, entschloss sie sich, das Kind zu bekommen und es allein großzuziehen. Ihr Sohn ist heute fünf Jahre alt. “Ob ich eine gute Mutter für meinen Sohn bin? - Um ehrlich zu sein: ich weiß es nicht.” Oft ginge sie auf Distanz zu ihrem Kind, weil sie sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Dana* versucht ihre Gedanken zu beschreiben: “Niemanden kannst du an dich ranlassen. Jeden willst du verletzen, schlussendlich auch dich selbst - dafür, dass du so bist wie du bist.” Dabei fügt sie sich selbst Schmerzen zu.
Jacoby kennt diesen Krankheitsverlauf, sagt jedoch: “Selbstverletzung ist ein hervorstechendes Merkmal, aber nicht automatisch bei jedem Borderline-Erkrankten der Fall.” Dennoch beobachte er die Zunahme der Krankheit und mit ihr die Anzahl der Hilfseinrichtungen. Einige Kliniken spezialisieren sich ausschließlich auf Persönlichkeitsstörungen. „Unsere heutige Welt scheint ein guter Nährboden für Krankheiten dieser Art zu sein.“ Immer häufiger litten junge Menschen an einer gestörten Persönlichkeit, bedingt durch den fehlenden Halt der Eltern im Kindesalter und durch die Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft, so Jacoby.
Teil 2 folgt....
„Nicht therapierbar!“, lautete die Diagnose der Therapeutin von Dana*, einer jungen Studentin aus Köln. Nicht weniger als fünf Fachärzte bestätigten ihr bereits, dass sie am Borderline-Syndrom erkrankt ist. Genauer: Sie leidet an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung. Therapie oder Klinikaufenthalt – Beides hat Dana* hinter sich. Aber helfen konnte ihr bisher niemand. Ihre einzige Chance sei nur noch eine Selbsthilfegruppe, sagten ihre Therapeuten. Aber das will die 24-Jährige auf gar keinen Fall.
Dana* gehört zu den Menschen, die an einer Persönlichkeitsstörung, dem Borderline-Syndrom leiden. Sie lebt in einem Gedanken- und Gefühlschaos. Angst, Realitätsverlust, Schwarz-Weiß-Denken, Alkohol-, Drogenkonsum und sogar Selbstmordgedanken sind ihre ständigen Begleiter – das alles sind typische Symptome der vorwiegend bei Frauen diagnostizierten Krankheit.
26.000 Borderline-Patienten waren 2007 in stationärer Behandlung
Borderline: Gratwanderung zwischen den Emotionen, Foto: Bilal El-Sahili
Anscheinend trifft es häufiger Frauen als Männer: In der Krankenhaus-Diagnose-Statistik des Statistischen Bundesamtes waren 2007 rund 21.000 Frauen wegen Borderline in stationärer Behandlung. Dem gegenüber stehen “nur” 5.000 männliche Patienten auf. Dr. Thomas Jacoby, Leiter der Borderline-Station der Hans-Prinzhorn-Klinik in Hemer, hat seine ganz eigene Erklärung, warum weniger Männer mit der Diagnose Borderline erfasst sind: “Mehr als die Hälfte der Betroffenen sitzen im Gefängnis: Männer mit Borderline-Syndrom richten ihre Impulsivität nach Außen. Sie begehen Straftaten, werden sogar gewaltätig.” Es kämen mehr Frauen in Behandlung als Männer, weil sich bei ihnen die Aggession eher gegen sich selbst richte. „In Deutschland leiden rund ein Viertel aller in psychiatrischen Kliniken behandelten Patienten an einer emotional instabilen Persönlichkeit, sprich Borderline“, bestätigt Dr. Jacoby, wobei die Ursachen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) häufig eine Mischung aus angeborenem Temperament, schwierigen Erfahrungen in der Kindheit und subtilen Formen neurologischer und biochemischer Dysfunktionen sind.
Professor Bernd Göhing, psychologischer Berater am Campus Essen, relativiert jedoch die Zahl der Borderliner, spricht sogar von einem Modewort: „Ist es was Schlimmeres, dann wird das immer gleich ‘Borderline’ genannt.“ Persönlichkeitsstörungen manifestierten sich seiner Auffassung nach erst ab 30. Vorher würden bestimmte Symptomatiken häufig von allein heilen. „Ist jedoch die Prognose einmal gestellt, dann ist man stigmatisiert.“ Das sei nicht zuletzt tragisch für die Betroffenen selbst. Sie würden dann nicht so leicht los, was sie plagte.
Im Gedanken- und Gefühlschaos
Licht am Ende des Tunnels,“Das Borderline-Syndrom wurzelt bei mir in einem Trauma”, erzählt Dana*. Ihre Eltern, die Dana* sehr streng erzogen haben, ließen sich scheiden, als sie vier Jahre alt war. Der Vater erhielt das alleinige Sorgerecht. ”Mit neun Jahren wurde ich von ihm zur Adoption freigegeben, weil seine neue Freundin es so wollte.“ Sie lebte fortan bei ihrer Mutter, wo Gewalt zum Alltag wurde. Bis heute hat Dana* Bindungsängste. “Was ich jetzt hab? Na auf jeden Fall eine Beziehungsstörung zu Männern,” erklärt die 24-Jährige.“Ich verschwende mein Geld, konsumiere Unmengen an Alkohol und vergraule alle Männer. Wenn mir jemand weh tut, dann tu ich ihm noch mehr weh.“
Als Dana* mit 19 Jahren schwanger wurde, entschloss sie sich, das Kind zu bekommen und es allein großzuziehen. Ihr Sohn ist heute fünf Jahre alt. “Ob ich eine gute Mutter für meinen Sohn bin? - Um ehrlich zu sein: ich weiß es nicht.” Oft ginge sie auf Distanz zu ihrem Kind, weil sie sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Dana* versucht ihre Gedanken zu beschreiben: “Niemanden kannst du an dich ranlassen. Jeden willst du verletzen, schlussendlich auch dich selbst - dafür, dass du so bist wie du bist.” Dabei fügt sie sich selbst Schmerzen zu.
Jacoby kennt diesen Krankheitsverlauf, sagt jedoch: “Selbstverletzung ist ein hervorstechendes Merkmal, aber nicht automatisch bei jedem Borderline-Erkrankten der Fall.” Dennoch beobachte er die Zunahme der Krankheit und mit ihr die Anzahl der Hilfseinrichtungen. Einige Kliniken spezialisieren sich ausschließlich auf Persönlichkeitsstörungen. „Unsere heutige Welt scheint ein guter Nährboden für Krankheiten dieser Art zu sein.“ Immer häufiger litten junge Menschen an einer gestörten Persönlichkeit, bedingt durch den fehlenden Halt der Eltern im Kindesalter und durch die Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft, so Jacoby.
Teil 2 folgt....
Zero93 - 12. Jul, 14:07